Es ist 2022 und ich muss mit einer solchen Überschrift leider erstmal provozieren.
Ich befinde mich am Ende meiner dritten Schwangerschaft und das, was ich in den letzten Wochen wieder erlebt habe, veranlasst mich heute dazu, nochmal das Thema Anwältin und Mutter aufzugreifen. Und glaubt mir, ich werde euch damit jetzt nerven, bis es euch zum Hals raus kommt und euch beweisen, dass Anwältin und Mutter ganz prima zusammenpassen.
Während meiner dritten Schwangerschaft hatte ich mindestens 3 Mal das Gefühl ich steh' im Wald.
Situation 1:
Neumandant fragt, was denn nach der Schwangerschaft ist.
Ich sage: "Nichts!"
Er sagt daraufhin: "Ja, aber Sie fallen doch dann aus."
Ich sage: "Nein, mein Mann geht in Elternzeit, ich arbeite weiter. Das Baby wird mich auf die Arbeit begleiten."
Situation 2:
Mandantin (selber Mutter) kündigt Mandat mit der Begründung, eine Schwangerschaft und das Neugeborene würden mich künftig davon abhalten, meine anwaltlichen Pflichten einzuhalten.
Situation 3:
Eine Betreute teilt mir mit, dass sie sich nicht mehr sicher ist, ob ich als ihre Betreuerin geeignet bin. Sie zählt mir dabei sämtliche Horrorszenarien auf, welche bei einer Geburt denn so passieren können. Fragt nach der Betreuungssituation nach der Geburt.
Ich rechtfertige mich und erkläre, warum meine Arbeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht unter dem kleinen Zwerg in meinem Bauch leiden wird.
Gerade sitze ich hier (am Tag, an dem mir Situation 3 widerfahren ist) und bin fassungslos. Der kleine Mann in meinem Bauch strampelt kräftig und hat Schluckauf. Gleichzeitig ärgere ich mich aber auch schon wieder über mich selber. Ich ärgere mich darüber, dass man in diesen Situationen immer in einen Rechtfertigungsmodus verfällt. Das ist falsch - das weiß ich. Und trotzdem macht man es.
Ich bin in der 35. SSW, fit wie ein Turnschuh und habe bereits zweimal erfolgreich bewiesen, dass Schwangerschaft, Geburt und Muttersein prima mit dem Job als Anwältin vereinbar sind.
Auf Instagram (@rechtsanwaeltinliebeton) habe ich eben über meine Erfahrung berichtet und das Feedback ist, dass es nicht nur mir so geht. Hallo?! Geht's noch?! Wir sind im 21. Jahrhundert.
Warum denken denn die Menschen so? Kann ich als Mutter keine Anwältin sein? Darf ich als Anwältin keine Mutter sein?
Ich sehe jeden Tag auf Instagram zahlreiche Paradebeispiele dafür, dass Vereinbarkeit als Anwältin ganz prima funktioniert. Ich kenne zahlreiche dieser wundervollen Frauen mittlerweile persönlich und kann den Eindruck nur bestätigen.
Ich für meinen Teil bin als Rechtsanwältin und Berufsbetreuerin tätig. Meine Arbeitszeit teile ich mir flexibel ein. Ich gehe die Extrameile und arbeite auch mal abends oder am Wochenende. Ich bin auch im Urlaub IMMER erreichbar (zum Leidwesen meiner Familie) und gebe täglich mindestens 120% in meinem Job. Ich habe einen Verein für Vermieter und Wohnungseigentümer gegründet, ich habe ein Netzwerk für Anwältinnen gegründet, arbeite als freie Mitarbeiterin für eine Großkanzlei in Berlin. Weitere Projekte sind in Planung.
Warum zähle ich euch das auf? Ich will mich nicht profilieren oder selber loben.
Ich will euch zeigen, dass mit der richtigen Organisation, dem richtigen Mindset und dem richtigen Partner bzw. der richtigen Unterstützung alles möglich ist.
Mit dem heutigen Tage habe ich mir auf die Fahne geschrieben, noch mehr Aufklärung in Sachen Vereinbarkeit im Anwaltsberuf zu leisten. Ich werde euch mit Einblicken, #realtalk und meinen persönlichen Erfolgen ab sofort immer wieder daran erinnern, dass Anwältinnen Mütter sein dürfen und Mütter Anwältinnen sein können!
In diesem Sinne: Jede Anwältin darf Mutter sein und jede Mutter kann Anwältin sein! Merkt euch das! (Ich glaube ich geh' jetzt T-Shirts bedrucken! Ha, neue Geschäftsidee! ;))
Alisia